Montag, 24. April 2017

Das vergessene Land

Bis auf die entscheidende Frage, ob ICH ihn denn wirklich will, wurden alle Fragen beantwortet. Würde sich jemand anders so benehmen wie ich, würde ich ihn schütteln, oder mich kaputtlachen, oder aber beides. Nach 3maligem netten Vögeln, darüber nachzudenken, ob man in ein von der Zivilisation vergessenes Stückchen Erde zieht, ist aber auch wirklich grotesk. Im Märchen wäre das ja so. Im Märchen ist es ja auch egal, wo man sich geografisch befindet, weil das zu Hause immer da ist, wo der Auserkorene wohnt.

Ich hatte einen Plan. Ich dachte erstmal beschnuppern und wenn er mir dann seine riesige Zuneigung zu mir gesteht und dass er kein Problem damit hat, mit einer durchgedrehten, schwerhörigen, halbblinden, nach Qualm stinkenden, unstrukturierten, alleinerziehenden Hubschraubermutter eines ADS-Kindes, sein Leben zu teilen, falle ich ihm um den Hals und ein Geigenkonzert ertönt aus der Ferne. Dazu rieseln wahrscheinlich Rosenblütenblätter auf meine Zornesfalte. Ich sage Vater Staat, dass ich in die Frühpension gehe und dass das Geld reicht, weil sich dort ohnehin alle ihre Pullover aus der Hausschafwolle stricken. Ich packe meine fast 80jährige Mutter unter den einen Arm und meinen zappelnden, Rotzblasenweinenden kleinen Prinzen unter den anderen und gemeinsam reiten wir in das vergessene Land (das zugegebener Maßen auch traumhaft schön sein kann) zum Auserkorenen. Der schließt uns alle 3 überschwenglich in die Arme und sagt dem kleinen Prinzen, dass er ihm immer ein liebevoller Väterlicher Freund sein wird und dass er mich und meine Mutter behüten wird wie einen Schatz.

Szenenwechsel:

Das Telefon piept und mein Herz macht einen Sprung – ein Foto vom Auserkorenen. Ein Penis (sein Penis) macht sich auf dem Display breit. Irgendwann knipps ich das Licht aus. Ich hab noch eine Stunde Zeit zum Schlafen. Der kleine Prinz kommt in mein Zimmer, ich spüle mir die Müdigkeit in der Dusche herunter, stürze schnell zwei Kaffee, derweilen ich sein Frühstück vorbereite und starte mit wehendem Haar in einen neuen Tag.

...

Ich glaube, ich werde in Kürze verhungern. Meine Magenwände reiben sich aneinander und ich sitze untätig in meiner Starre gefangen herum. Mein letzter Urlaub hat mich ein paar Kilo leichter gemacht, denn wieder war ich in Trance. Das Meer, der Wind und die Wellen, (sowie eine Urlaubsliebe) sorgten für eine Pause von meinen Baustellen. Die Sonne malte Glitzer auf die relativ ruhige See und brachte mir Seelenfrieden. Die Tage und Nächte waren unbeschwert. Das Zusammensein mit A. war schön. Er ist ein Nordlicht und er strahlt Ruhe und Wärme aus. Er geht sorgsam und liebevoll mit mir um. Und er wünscht sich jemanden, der sein Leben mit ihm teilt. Ich möchte mir nichts vor machen – ich bin das sicherlich nicht. Ich bin ein Mängelexemplar und das wollte ich ihm auch sagen. Trotzdem nehme ich jeden Abend sein Shirt mit ins Bett und vergrabe meine Nase darin, um so etwas wie Trost zu finden. Als er mir schrieb, er hätte ein paar von den Sternen, die er mir geschenkt hat, bei sich behalten für die anderen „Schnecken“ , schließlich wäre er auch nur ein Mann, so wie alle anderen, rutschte mir das Herz in die Hose. Ich denke, er wollte auch noch mal sagen, dass es in der Zukunft kein UNS geben wird. Sicher weiß ich es nicht, aber alles andere wäre auch reine Utopie. Vielleicht schreiben wir uns auch weiterhin, aber ich darf die Realität dabei nicht vergessen. Ich bin böse auf mich, weil es mich so quält, weil ich so unfertig bin und verstockt. Mein zu Hause ist hier, solange ich für mein Kind und meine Mutter verantwortlich bin. Sein zu Hause ist am Meer. So oft wie er nur kann, wirft er sich mit seinem Brett in die Fluten. Vor meiner Tür fließt nur ein Kanal, auf dem ein paar Kohleschiffe auf und ab fahren. Seine letzte Fernbeziehung hat er beendet, weil sie nicht zu einem Miteinander führte. Es ist auch müßig darüber nachzudenken, warum er mir seine Telefonnummer zugesteckt hat. Vielleicht wollte er das, was ich vor 2 Jahren wollte – eine schöne, aber unverbindliche Zeit. Ich hab das mein ganzes Leben lang gewollt – einfach machen, nichts denken, einfach im JETZT sein und nicht pausenlos überlegen, was alles in Zukunft werden könnte, eben unbeschwert sein. Weil ich diese Leichtigkeit nicht habe, werde ich es sowieso kaputt machen. Würde er mich denn überhaupt wollen, mal abgesehen davon, dass wir uns ja noch gar nicht kennen? Und sollte meine Frage nicht eigentlich lauten: Würde ich ihn denn wollen???

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